
Notizen
zur Geschichte der Stadtmühle Sursee,
recherchiert
von Dr. Stefan Röllin, pens. Stadtarchivar Sursee
Im
Spätmittelalter Drei
Mühlen – die Vorstadt-, die Stadt- und
die Grabenmühle – gehörten während
Jahrhunderten zum städtischen Wirtschaftsleben und
zum Stadtbild von Sursee. Sie alle lagen im Inneren Friedkreis,
aber nur die Stadtmühle und die Grabenmühle
befanden sich innerhalb der Stadtmauern. Ganz in der
Nähe des Diebenturms und unten am Mühleplatz,
direkt am Lauf der so genannten neuen Sure, stand die
Stadtmühle. Sie war im Laufe der Jahrhunderte im
Besitz verschiedenster Personen oder Familien, welche
die Mühle meist durch einen Pächter, einen
so genannten Lehenmüller betreiben liessen.
Ursprünglich war die Stadtmühle ein Eigentum
der Herrschaft Österreich und zinste Anfang des
14. Jahrhunderts 40 Mütt Kernen. In der 1. Hälfte
des 14. Jahrhunderts verpfändete Österreich
die halbe Mühle mit dem halben Zins um eine Schuld
von von 40 Mark Silber an Ritter Rudolf von Trostberg.
Die andere Hälfte der Mühle scheint damals
ein Lehen der Stadt Sursee gewesen zu sein. Ihr erlaubte
Herzog Albrecht 1337, den Mühlezins während
zehn Jahren zum Wiederaufbau der brandgeschädigten
Stadt zu verwenden.1344 sah sich der junge Herzog Friedrich
in Geldschwierigkeiten, weil er unter anderem Heinrich
Saffaton, Bürger in Sursee 100 Mark Silber schuldete.
In dieser Notlage übergab er diesem die Stadtmühle
zum Erblehen. Bestehende Verträge mussten dabei
weichen: Ritter von Trostberg erhielt den Befehl, von
Saffaton die Ablösesumme anzunehmen und der Stadt
Sursee wurde vorgeschrieben, Saffaton als Lehenbesitzer
anzuerkennen.Und weil die Mühle weiterhin verpfändet
blieb, fiel sie bei der Eroberung der Stadt Sursee 1415
auch nicht an Luzern. In
der Zeit des 16. – 18. Jahrhundert Im
16. Jahrhundert war die Mühle verschiedenen
Handänderungen unterworfen und es scheint, dass
weiterhin manchmal nur die eine Hälfte der Mühle
im Besitz von bestimmten Personen oder Familien war.
Nach Mitte des 16. Jahrhunderts besass die Familie von
Stahl aus Solothurn den Ehrschatz auf der Mühle
und den halben Zins. Der Solothurner Stadtschreiber Hans
Jakob von Stahl übergab diesen Zins im Jahre 1590
im Tausch gegen den Kornzehnten zu Ober-Ramseren/SO dem
Kloster Sankt Urban. Dieses verkaufte bereits 1591 den
Anspruch auf die Stadtmühle um 1000 Gulden Ludwig
Schnyder, Schultheiss der Stadt Luzern. 1572 verkaufte
Hans Jakob Meyer für 2000 Gulden Münz den anderen
Teil der Stadtmühle an Heinz Pürly. 1611 war
Jakob Renhas Eigentümer der Stadtmühle und
Salomon Keller sein Lehenmann, der die Mühle betrieb
und mit dem Eigentümer Streit hatte. Im gleichen
Jahr verkaufte Renhas Michael Schnyder, Amtmann des Klosters
St. Urban die Mühle mit Gerechtigkeit und Zubehör
für 2200 Gulden. Bereits 1638 erfolgte wieder ein
Besitzerwechsel als Michael Amlehn an Hans Marfurt von
Dagmersellen, wohl die eine Hälfte der Mühle
um 2300 Gulden verkaufte.
Im 18. Jahrhundert gab es zwischen den Besitzern der
Vorstadt- und der Stadtmühle Streitigkeiten wegen
der Höhe des Gefälles und der Wasserzufuhr
zur Stadtmühle. Am 27. Januar 1727 wurden die Rechtsverhältnisse
zwischen den drei Mühlen neu festgesetzt: Das Gefälle
zwischen Vorstadt- und Stadtmühle wurde auf 15,5
Zoll festgesetzt und der Vorstadtmüller durfte den
Laden bei der steinernen Brücke beim »Bad» nicht
wegnehmen. Damals war Heinrich Frank Stadtmüller,
der die Mühle als Lehenmüller betrieb, während
sie im Besitz von Major Göldlin in Luzern war. Beim
verheerenden Stadtbrand vom 13. September 1734 wurden
auch die Gebäude der Stadtmühle ein Opfer der
Flammen. Sie wurde 1735 von Baumeister Arbogast Rey wieder
aufgebaut. Dabei wurde auch der Wasserstuhl erhöht,
was zu einem jahrelangen Prozess mit der oberhalb gelegenen
Vorstadtmühle führte. Beim Gerichtsentscheid
von 1741 wurde festgehalten, dass die Stadtmühle
auf soviel Wasser Anspruch habe, dass sie drei Räder
oder Mahlgänge betreiben könne.
Seit Ende der 1730er-Jahre scheint die Mühle mehrmals
ihren Besitzer gewechselt zu haben: 1738-1744 war Jost
Bucher von Knutwil auf der Stadtmühle, 1749 ist
ein Hans Jost Gut nachgewiesen, 1755 Jost Curty (Gurty?)und
Ulrich Meyer, 1786-1790 Leonz Meyer, der sie um 6120
Gulden an Josef Amrein veräusserte. Die Dynastie der Familie Beck im 19. Jahrhundert Im
Jahre 1804 ging die Stadtmühle um 6648 Gulden
an Amtsrichter Josef Beck über. Gemäss Kaufvertrag
waren im Kaufpreis vier Landparzellen mit etwa sieben
Jucharten inbegriffen. Während hundert Jahren, von
1804-1909, blieb die Stadtmühle an der Sure im Besitz
der Familie Beck vom Beckenhof. Zeitweise wurde die Mühle
neben dem grossen Landwirtschaftsbetrieb von der ganzen
Familie des Josef Beck sowie seinen Söhnen Xaver,
Josef und Franz Josef betrieben. Von 1844-1864 war die
Mühle im alleinigen Besitz von Major Franz Josef
Beck. Alter und Krankheit veranlassten ihn, die Stadtmühle
an seinen Neffen und späteren Nationalrat Franz-Xaver
Beck-Leu zu verkaufen. Dieser verpachtete die Mühle
in den 1860er-Jahren an Peter Roos von Schüpfheim,
1871-1882 an Leonz Tschopp sowie etwas später an
dessen Sohn Alois. Als der Konkurrenzdruck von Grossmüllerein
sich auf die kleineren Mühlen verstärkte, galt
es, auch die Stadtmühle zu modernisieren. So wurde
1888 durch die Maschinenfabrik Bell in Kriens an Stelle
der Wasserräder in der Stadtmühle eine Turbine
eingebaut. 1893 ging die Stadtmühle an den Sohn
von Franz-Xaver Beck, an Franz Beck über. Umbruch
im 20. Jahrhundert und Ende des Mühlebetriebs Im
Jahre 1909 verkauften die Gebrüder Beck die
traditionelle Mühle an Josef Stirnimann von Ruswil
und 1934 wurde Walter Steffen von Zell um die damals
stolze Summe von Fr. 98'000.- Besitzer der Stadtmühle.
Damals wurden die Gebäude aussen und innen saniert
und modernisiert. Die alten Mühleeinrichtungen hatten
ihren Dienst getan und mussten einer modernen, automatisierten
Anlagen weichen, die damals eine Tagesleistung von 10
Tonnen in 24 Stunden erreichten. So blieb dank grosser
Anstrengungen von Müller Steffen die Stadtmühle
als einzige der seit dem 19. Jahrhundert vier Mühlen
auf dem Stadtgebiet bis in die 1970er-Jahre als beachtlicher
Mühlenbetrieb bestehen. Aber seit Beginn des Jahres
1974 standen auch hier die «Räder» endgültig
still.
Mit der Stadtmühle war seit dem 19. Jahrhundert
eine Bäckerei verbunden. Lange Jahre wurde sie vom
legendären Waisenvogt Konrad Beck (1823-1890) betrieben.
Pfister Beck, der den Übernamen der «Nüechter» trug,
war ein Original. Ihm ist auch der Brunnen auf dem Mühleplatz
gewidmet.
Nach dem Abbruch der alten Mühlegebäude und
dem Wiederaufbau in ähnlichem Volumen wurde aus
der ehemaligen Stadtmühle eine Pizzeria. Sie konnte
im Spätherbst 1976 eröffnet werden. An die
alte Mühle und ihre Räder erinnern das kleine
Mühlerad im Innern des Restaurants und das vom Surseer
Holzbildhauer Hans-Peter Stalder geschaffene Wirtshausschild. 15. Februar 2009 Stefan Röllin [nach
oben]
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